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Kulinarische Freigeister

Moderne Küche? Ist unbedingt nachhaltig. Andrea und Marcello Gallotti führen das Restaurant „erasmus“ in Karlsruhe. Die BIOSpitzenköche haben eine Mission: Sie arbeiten für eine neue gastronomische Kultur, die gehobene Küche, Genuss und Lebensfreude mit Verantwortung für die Zukunft verbindet.

Wenn morgens gegen acht die Sonnenstrahlen durch die hohen Fenster des erasmus fallen, sich glitzernd in Gläsern und auf Besteck spiegeln, wenn die Espresso-Maschine duftend warm läuft – dann schaltet Andrea Gallotti ihren Computer ein. Emails lesen, damit startet ihr Tag im Restaurant. Ihr Mann Marcello ist unterwegs und bringt die Kinder in den Kindergarten. Spätestens ab 10:00 Uhr sind alle da. Marcello bespricht in der Küche das Tagesprogramm mit seinen drei fest angestellten Köchen. Erasmus-Lieferanten kommen und gehen, sie bringen tagesfrische Lebensmittel, Fleisch und Gemüse aus der Region, Wein oder Mortadella direkt aus Italien, Wattenmeeraustern und Fisch aus den Niederlanden. An so einem typischen Morgen hat Andrea Zeit gefunden, uns ein paar Fragen zu beantworten.

BIOSpitzenköche seit 2018: Andrea und Marcello Gallotti, Copyright BLE, Foto: Marcus Gloger

Andrea, auf welchen Moment freust Du Dich morgens besonders?

Darauf, meinem Team einen guten Morgen zu wünschen.

Den ganzen Tag über ist bei Euch viel los. Wann findet Ihr die Ruhe, eure Speisekarte zu planen?

Wir planen am Montag unsere Karte jeweils für eine Woche. Dienstag ist Ruhetag. Am Mittwoch muss die Karte morgens frisch gedruckt auf dem Tisch liegen. Die Planung macht Marcello mit seinem Küchenteam. Ab und zu erinnere ich ihn an Sachen, die toll gelaufen sind wie zum Beispiel unsere mit Ochsenschwanz gefüllten Tortelli, darauf gibt es nur positives Feedback. Oder unseren Klassiker, die Spaghetti alla Carbonara, ein authentisches, römisches Rezept. Die bestellen Stammgäste auch, wenn sie mal nicht auf der Karte stehen. Wir wechseln nicht wöchentlich die komplette Karte. Sie richtet sich nach den bestellten Waren und dem saisonalen Angebot. Mittwochs kommt zum Beispiel immer eine frische Gemüselieferung und freitags fangfrischer Fisch. Manche Änderungen stehen auch nicht drauf, wenn uns zum Beispiel spontan ein tolles Stück Wild angeboten wird. Dann informieren wir unsere Gäste persönlich.

Andrea und Marcello sind gelernte Köche und Absolventen der Universität der Gastronomischen Wissenschaften im italienischen Pollenzo. Die Zutaten für ihre, von der italienischen Küche inspirierten Gerichte, kommen zum größten Teil aus der Region und sind biozertifiziert. Fisch und Meeresfrüchte stammen aus nachhaltiger Fischerei. Alles wird aus ökologischen Basisprodukten selbst hergestellt: von Brot und Blätterteig über Saucen und Griebenschmalz bis hin zu Pasteten und Terrinen. Für Fleischgerichte verarbeiten die Gallottis grundsätzlich alle Teile des Tieres.

Andrea, wann wusstet Ihr, dass Bio für Euch der richtige Weg ist?

Von Anfang an. Im Studium hatte ich zum Thema Pflanzenproduktion eine Professorin, eine echte Koryphäe, was die Forschung im Pflanzenbau angeht. Das hat mich sehr sensibilisiert. Heute sagen wir: Es macht keinen Sinn, nicht mehr Bio einzukaufen. Was wären die Konsequenzen, zum Beispiel beim Thema Artenvielfalt? Wir denken, es gibt weder lokal noch regional noch global eine Alternative zur Biolandwirtschaft. Für uns selber bedeutet das Nachhaltigkeit bis ins Detail.

Eure Küche bezeichnet Ihr als modern. Was bedeutet das für Euch?

Eine Küche, die aus unserer Sicht zukunftsfähig ist. Eine Küche, die die Herausforderungen, die wir als Gesellschaft haben annimmt und nach Lösungen sucht. Die aber auch die individuellen Vorlieben der Gäste nach Entspannung, Genuss und tollem Geschmack in den Mittelpunkt stellt. Wir sehen die Gastronomie als kulturelles Gut, nachhaltige, authentische, regionale Küche als Aufgabe, auch in der gehobenen Gastronomie.

Spaghetti alla Nerano. Foto: Marcus Gloger ©BLE

Fühlt ihr Euch dem „Freigeist“ und Eurem Namensgeber Erasmus mit dem was ihr tut verbunden?

Für Erasmus von Rotterdam war die Vermittlung von Bildung zentral. Wir denken, je mehr man über das Essen weiß, desto mehr Genuss ist möglich, desto besser kann man frei wählen. Landwirtschaftliches Wissen ist für Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings schwer zu bekommen, genau wie lebensmitteltechnisches oder kulinarisches Wissen. Für uns ist das eng mit unserem Studium verbunden. Wir können daher eine Auswahl treffen und unseren Gästen ein Angebot machen. Immer mehr Menschen essen immer weniger zuhause. Da trägt die Gastronomie in Zukunft mehr Verantwortung und hat auf der anderen Seite viel mehr Möglichkeiten.

Wie regieren die Gäste auf Euer Engagement

Es gibt Gäste, die genau deswegen kommen. Die kaufen Bio für zuhause, die möchten auch im Restaurant Bio. Mittags kommen öfter Geschäftsleute, die ihren Gästen etwas Besonderes bieten möchten. Für die ist unser nachhaltiges Angebot auch ein gutes Gesprächsthema. Unser Fleisch von alten Hausrassen, Pasta aus Getreiden alter Sorten – alles ist Bio, fast alles über EU-Bio-Standard hinaus. Interessierten Gästen erzählen wir gerne mehr darüber. Seit fünf Jahren servieren wir kostenfrei frisches Karlsruher Leitungswasser. Das ist in Deutschland nicht die Regel. Neben unserer Kasse steht eine kleine blaue Box, da können Gäste für das Projekt „Viva con Aqua“ spenden. Es finanziert Brunnenbauprojekt, das finden viele gut und schmeißen Geld in die Box.

Biowein und BIOSpitzenküche:

„Bio alla Gallotti“: An einem sonnigen, warmen Sommertag 2018 besuchten Bloggerinnen und Blogger Andrea und Marcello nach einem Ausflug in die Weinberge ihres Biowinzers Sven Leiner. Zum mitgebrachten kühlen Biowein servierten die Gallottis auf ihrer Gartenterrasse im Schatten der 100jährigen Kastanienbäume Einblicke in ihr Konzept – und Köstliches aus ihrer BIOSpitzenküche.

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Das erasmus-Restaurant und Feinkostladen sind in einem 1928 von Walter Gropius entworfenen, denkmalgeschützten Gebäude zuhause. Ein befreundeter Architekt hatte das zum Kauf stehende, ehemalige Brauerei-Gebäude im klassischen Bauhaus-Stil empfohlen. Einrichtung und Deko lassen seiner Klarheit ihre Präsenz.

Andrea, zu welcher Zeit seid Ihr am liebsten im Restaurant?

Abends, wenn es voll besetzt ist, dann ist der Raum für mich am Schönsten. Abends nehmen sich Gäste auch mehr Zeit, sind entspannter als mittags.

Wann öffnet Ihr Eure Gartenterrasse?

An schönen Tagen ist der Garten schon im April auf. Dann blühen dort alle Tulpen. Hinten im Garten hat der Imker ein Bienenvolk aufgestellt. Hier bekommen wir schon früh erste Waben mit Honig. Die verwenden wir zum Beispiel in Desserts oder Vorspeisen.

Was bedeutet die Natur für Euch?

Natur ist Vielfalt. Und Großzügigkeit, sie passt sich ständig an und ist eigentlich auch nicht schutzbedürftig. Wir sind Teil der Natur, sie ist etwas sehr Schönes und sehr Wichtiges.

Wie klingt der Tag bei Euch aus?

Erstmal macht Marcello die Abrechnung. Dann sitzen wir noch am Küchentisch und unterhalten uns über den Tag, was lief gut, was lief schlecht, was war besonders schön. Gegen Mitternacht ist unser Restauranttag dann zu Ende.

Erasmus inspiriert: Arbeiten, austauschen, genießen. BIOSpitzenköche-Treffen bei Andrea und Marcello Gallotti. Foto: Markus Gloger ©BLE

Restaurant erasmus

Restaurant erasmus
Nürnberger Str. 1
76199 Karlsruhe
Profil bei Ökolandbau
Website

Fotos / Credits:

Beitragsbild: Anika Mester © erasmus