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Vom eigenen Acker auf den Teller

Wie man ein nachhaltiges Bio-Restaurant betreibt, das weiß BIOSpitzenkoch Sebastian Junge. Sein Hamburger Restaurant „Wolfs Junge“ führt er nach dem Motto „land- und handgemacht“. Wir sprechen mit ihm über Verantwortung, Bio-Zertifizierung, Gemüseanbau und darüber wie man mehr Bio-Lebensmittel in die Städte bringen kann.

BIOSpitzenkoch Sebastian Junge verwendet in seinem Restaurant „Wolfs Junge“ Bio-Lebensmittel. Er kennt seine Produzent*innen nicht nur persönlich, sondern ist auch selbst auf dem Gemüseacker tätig. Für das Restaurant baut er dort eigenes  frisches Gemüse an, das später auf den Tellern seiner Gäste landet. Im Sommer kommt es frisch vom Feld und im Winter wird es fermentiert und eingelegt serviert.

Warum verwendest du nur Bio-Lebensmittel in deiner Restaurantküche?

Weil mir die Verantwortung bewusst ist, die wir für Mensch, Natur und Umwelt haben.
Ich möchte nicht, dass aufgrund meiner Kulinarik Raubbau betrieben wird, stattdessen wünsche ich mir eine nachhaltige und umweltgerechte Genusskultur. Ich lege nicht nur größten Wert auf Bio-Lebensmittel, sondern kaufe bei den meisten Produzenten aus unserem Umland auch direkt ein.

Die Bio-Zertifizierung der Produkte und der enge Kontakt zu den Produzenten sind mir sehr wichtig. Ich möchte wissen wer davon lebt, wie er davon lebt, wieso und seit wann er so arbeitet. So pflegen wir freundschaftliche Beziehungen. Und die Lebensmittel schmecken so auch besser – da isst das gute Gewissen mit.

Warum hast du dein Restaurant bio-zertifizieren lassen?

Das ist für mich alternativlos gewesen. Ich möchte meinem Gast eine Transparenz liefern, die für ihn ganz klar nachvollziehbar ist. Mich hat an der Gastronomie immer am meisten gestört, dass so viel ohne wirkliche Substanz erzählt wurde. Jeder wirft gerne mit den Begriffen Saisonalität, Regionalität und Nachhaltigkeit um sich. Dabei werden diese inflationär genutzten, werbewirksamen Begriffe selten mit Leben oder Ernsthaftigkeit gefüllt. Das ist der Grund, warum ich gesagt habe: 100 Prozent Bio-Lebensmittel und das wird auch zertifiziert. Wir arbeiten ganz transparent, listen unsere Produzenten auf, stehen im offenen Dialog mit unseren Gästen und können Rede und Antwort zu jedem unserer Produkte stehen. Wir stehen voll hinter dem, was wir tun. Zusätzlich zur Bio-Zertifizierung unterscheidet uns das von vielen anderen Gastronomen.

Sebastian Junge

Fotos: Mareike Suhn & Christian Geisler

Du baust einen Teil des Gemüses für dein Restaurant selbst an. Wieso?

Das hat ganz verschiedene Gründe: Zum einen festigen wir unsere Beziehung zur Natur und Umwelt mit den Stunden, die wir auf dem Acker verbringen. Wir wissen was es bedeutet eigenes Gemüse anzubauen und was es braucht, bis eine Karotte vom Samen bis zum fertigen Produkt auf dem Teller landet.

Die Arbeit auf dem Acker schafft für uns eine besondere Verbundenheit zu den Produkten und eine ganz andere Wertschätzung. Sie schärft unser Bewusstsein für Qualität und dafür, wie Ökosysteme funktionieren. Auf dem Feld stehen und den Kopf frei bekommen, ist außerdem ein lohnenswerter und toller Ausgleich zum zermürbenden Küchenalltag. Das ist auch Teil unserer Lehre für die Auszubildenden. Jeder soll das einmal erfahren und wissen wie es ist, das zu machen und in Symbiose mit der Natur zu stehen. Den Boden selbst zu bearbeiten, selbst zu säen, selbst zu ernten, die Pflanzen zu pflegen…

Wie oft arbeitest du auf dem Feld, was machst du da am liebsten?

In der Regel bin ich ein bis zweimal die Woche für 2 bis 4 Stunden auf dem Feld. Häufig alleine, aber auch gemeinsam mit meinen Auszubildenden oder Köch*innen.

Ein Ranking, was ich am liebsten mache gibt es nicht. Ich genieße jede Phase des Gärtnerns. Am Anfang steht viel Bodenbearbeitung, viel Handarbeit und die Pflege der Kultur. Ebenso genieße ich es aber später auch, wenn es an die Ernte geht und man deutlich weniger Zeit mit Bodenpflege verbringt und nur noch die Früchte seines Schaffens erntet. Ich bin am liebsten in der Natur für mich und habe meine Ruhe und kann mich dem Gärtnern hingeben und zur Natur verbunden sein.

Foto: Mareike Suhn & Christian Geisler

Wie viel kannst du mit deinem Acker vom Restaurantbedarf decken? Was wächst bei euch?

In Hochzeiten können wir sicherlich 40 bis 50 Prozent unseres Gemüsebedarfs decken. Um auch im Winter noch Produkte aus eigenem Anbau anbieten zu können, konzentrieren wir uns auch darauf, viel einzulegen, einzuwecken und zu fermentieren.

Auf unserem Acker wachsen 30 bis 40 verschiedene Gemüsesorten, Kräuter und Blumen. Wir haben auch einen Blühstreifen mit essbaren Blüten angelegt, auf dem z.B. Kornblumen, Ringelblumen und Borretsch wachsen. Wir haben alles angebaut, was das Gemüseregal saisonal abdeckt: z.B.  Fenchel, Pastinaken, Karotten, Salate in verschiedenen Varianten, Süßkartoffeln, Chili, Zucchini, Gurken und vieles mehr. Parallel versuchen wir auch ein paar Specials, wie besondere Bohnen- oder Erbsensorten, anzubauen und unseren Horizont stetig zu erweitern. Unsere Natur bietet uns schließlich ein so vielfältiges Angebot.

Wie bekommen wir noch mehr Bio-Lebensmittel in die Städte?

Das bedarf einer großen Öffentlichkeitsarbeit und ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht nur von ein paar Enthusiasten erfüllt werden kann.

Es gibt sehr viele unterstützenswerte Projekte, die sich darum bemühen Bio-Landwirt*innen mit Verbraucher*innen zu verbinden. Ich denke, dass wir uns über eine Graswurzelbewegung darum bemühen müssen, das ganze Thema publik zu machen. Ernährung und Landwirtschaft sollte z.B. schon Teil der Schulausbildung sein. Es gibt leider keinen Lösungsweg x, aber mit ganz vielen kleinen Projekten, Gastronomen, Restaurants und auch Verbraucher*innen gemeinsam können wir mehr Bio-Lebensmittel in die Städte bekommen.